Das Splittingverbot in der Abrechnung bei Kassenärzten und Kassenzahnärzten ist auch in Berufsausübungsgemeinschaften zu beachten, selbst wenn deren Mitglieder unterschiedlichen Arztgruppen angehören. Die Leistungen der einzelnen Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft sind grundsätzlich allen Mitgliedern zuzurechnen, da die Berufsausübungsgemeinschaft nach außen hin als Rechtseinheit auftritt.
Ein Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG-Chirurg) ist zur vertragsärztlichen sowie zu vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Die vertragsärztliche Tätigkeit erbringt er in einer Einzelpraxis, die vertragszahnärztliche Tätigkeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft. Gegenstand des Rechtstreits, über den das Bundessozialgericht (Az. B 6 KR 16/15) zu entscheiden hatte, war die Honorarkürzung als sachlich-rechnerische Richtigstellung für die Quartale III/2009 und IV/2009 der kassenärztlichen Vereinigung in Höhe von 67.647,00 € gegenüber dem Arzt und der kassenzahnärztlichen Vereinigung in Höhe von 5.551,72 € gegenüber der Berufsausübungsgemeinschaft.
Die Parteien des Rechtstreits waren der MKG-Chirurg als Kläger einerseits und die kassenärztliche Vereinigung andererseits. Die kassenzahnärztliche Vereinigung war dem Rechtstreit beigeladen.
Die beklagte kassenärztliche Vereinigung sprach mit Bescheid vom 24.05.2013 eine sachlich-rechnerische Korrektur in oben genannter Höhe aus und begründete diese damit, dass der Kläger gegen das Splittingverbot des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) verstoßen habe.
In Ziffer 6.3 der allgemeinen Bestimmungen zum EBM (Stand 4/2016) ist verankert, dass Vertragsärzte die auch als Vertragszahnärzte nach § 95 Abs. 1 SGB V an der Versorgung teilnehmen, die in einem einheitlichen Behandlungsfall durchgeführten Leistungen entweder nur über die Kassenärztliche Vereinigung oder über die Kassenzahnärztliche Vereinigung abrechnen dürfen. Eine Aufteilung (Splitting) eines Behandlungsfalles in zwei Abrechnungsfälle ist untersagt.
Widerspruch des Klägers sowie Klage und Berufung waren erfolglos geblieben.
Das Bundessozialgericht bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Soweit der Kläger in seiner Einzelpraxis vertragsärztliche Leistungen für einen Versicherten erbracht hat und gleichzeitig die Berufsausübungsgemeinschaft, deren Mitglied er ist, vertragszahnärztliche Leistungen erbracht hat, sind als ein Behandlungsfall zu qualifizieren und daher nur einmal abrechnungsfähig.
Der Behandlungsfall ist nach den Definitionen (u.a. in § 21 Bundesmantelvertrag-Ärzte, § 9 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte) als die gesamte von derselben Arztpraxis innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben Versicherten ambulant zulasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung.
Es gehört zum Berufsbild des MKG-Chirurgen, dass er sowohl ärztliche als auch zahnärztliche Tätigkeiten ausübt und anbietet. Trotz der Doppelzulassung auf dem Gebiet der vertragsärztlichen sowie vertragszahnärztlichen Versorgung hat der MKG-Chirurg nur einen einheitlichen Versorgungsauftrag (so im Übrigen auch BSG, Urteil vom 23.03.2016 – B 6 KA 7/15 R). Insbesondere kann die Zugehörigkeit zu zwei Rechtskörperschaften keine andere Bewertung zulassen, so dass es nicht darauf ankomme, dass der MKG-Chirurg vertragsärztlich in Einzelpraxis und vertragszahnärztlich in Berufsausübungsgemeinschaft zugelassen ist. Andernfalls würde das Splittingverbot umgangen und der Behandlungsfall in nicht gewollter Weise aufgespaltet.
Auch sah das Gericht in dem Splittingverbot keinen unzulässigen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheit der Berufsausübung aus Art. 12 GG. Der sich hieraus evtl. ergebenden Honorarsteigerung des einzelnen Arztes ist die Gewährleistung gegenüber zu stellen, dass die Versicherten ambulant alle erforderlichen Leistungen zur Heilbehandlung in Anspruch nehmen können, eine angemessene Vergütung sichergestellt wird und die Selbstverwaltungskörperschaften ihren Prüfverpflichtungen aus §§ 106, 106a SGB V ausreichend nachkommen können. Das Abrechnungswahlrecht bleibt erhalten. Der MKG-Chirurg kann sich entscheiden, ob er einen Behandlungsfall vertragsärztlich oder vertragszahnärztlich abrechnet. Auch kann sich der MKG-Chirurg nicht darauf berufen, dass somit ein Teil seiner Leistungen evtl. unvergütet bleibt, da diese im EBM-Ä oder BEMA-Z nicht verankert seien. Dies ist nach Ansicht des Bundessozialgerichts auch hinzunehmen, solange sich hieraus nicht eine insgesamt unangemessene oder gleichheitswidrige Belastung einer einzelnen Berufsgruppe ergibt. Ein weiterer rechtlich beachtlicher Unterschied, liegt darin, dass der Kläger über eine doppelte Zulassung verfügt, aber nur eine Zulassung in die Berufsausübungsgemeinschaft einbringt.
Die Entscheidung des Bundessozialgerichts mag auf den ersten Blick nicht so recht nachvollziehbar sein. Der Arzt engagiert sich in zwei Zulassungsbereichen und hat dementsprechendes Fachwissen erworben. Ihm wird nunmehr durch das Splittingverbot untersagt, jedenfalls einen Teil seiner erbrachten Leistungen abzurechnen, wenn diese auf das jeweils andere Zulassungsgebiet entfallen als der Behandlungsfall. Andererseits will der Gesetzgeber eine möglichst einheitliche und vor allem gut nachprüfbare Form der ärztlichen Vergütung gewährleisten, um die Auswirkungen auf die Beiträge der Versichertengemeinschaft letztlich nicht ausufern zu lassen.
Für die Behandler bedeutet diese Rechtsprechung, dass sowohl die Zulassung zur Versorgung als auch die Rechtsform der Berufsausübung wohl überlegt und gestaltet werden will, um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.
Anhand des konkreten Falles zeigt sich zudem nochmals die Problematik der kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Versorgung, wonach eine Überprüfung und Korrektur der Honorarzuteilung erst geraume Zeit nach der eigentlichen Leistungserbringung stattfindet. In dem hier besprochenen Fall wurden die Bescheide der Kassenärztlichen Vereinigung bzw. Kassenzahnärztlichen Vereinigung für die Quartale III/2009 und IV/2009 im Mai 2013 erlassen.
In einer weiteren Entscheidung (B 6 KA 30/15 R) stellte das Bundessozialgericht übrigens fest, dass das Splittingverbot grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, eine Honorarkürzung jedoch nicht ohne Berücksichtigung des wirtschaftlichen Schwerpunktes vorzunehmen.
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