Für alle im Rettungsdienst tätigen Helfer, insbesondere diejenigen die sich ehrenamtlich in First-Responder-Systemen aber auch Schnelleinsatzgruppen etc. engagieren stellt sich im Einsatzfall ein nicht zu unterschätzendes Problem. Dürfen Sonderrechte in Anspruch genommen werden?
First-Responder-Systeme sollen die Zeit bis zum Eintreffen des qualifizierten Rettungsdienstes im Notfall verkürzen und eine erste qualifizierte medizinische Hilfeleistung bieten. Während Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeug sich den Weg mittels Blaulicht und akustischen Sondersignalen bahnen können, stellt sich die Frage, ob dies auch auf die First-Responder zutrifft. Ein Blick ins Gesetz macht in diesem Fall die Rechtsfindung nicht einfacher.
Sonderrechte sind in § 35 StVO gesetzlich geregelt. In § 35 Abs. 1 StVO sind bestimmte Hoheitsträger erfasst, die von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung vorübergehend befreit werden sollen, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Tätigkeiten erforderlich ist. Hierbei sind die Sonderrechte nicht an die konkreten Fahrzeuge gebunden, sonden an den Hoheitsträger selbst. Dies bedeutet, dass ein Feuerwehrangehöriger auch dann Sonderrechte in Anspruch nehmen kann und darf, wenn er im konkreten Einsatzfall mit dem Privatfahrzeug auf dem Weg zur Feuerwache ist (vgl. auch OLG Stuttgart, NZV 2002, 410).
Die bloße Herstellung der Einsatzbereitschaft ohne konkreten Einsatzauftrag genügt nicht!
Angehörige des Rettungsdienstes bzw. der Hilfsorganisationen sind in § 35 Abs. 1 StVO nicht aufgeführt. Nur Katastrophenschutzeinheiten werden hiervon erfasst. Diese können sich jedoch nur im Katastrophenfall (konkreter Einsatzbefehl) auf § 35 Abs. 1 StVO berufen. Die begrüßenswerte Tätigkeit als First-Responder ist hiervon jedoch nicht umfasst.
§ 35 Abs. 5a StVO wiederum erfasst den Rettungsdienst, konkret die Fahrzeuge des Rettungsdienstes. Der Rettungsdienst wird den Hoheitsträgern des § 35 Abs. 1 StVO in Fällen des Rechtfertigenden Notstands gleichgestellt (vgl. May/Vogt, Lexikon Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016).
Die Befreiung von der StVO nach § 35 Abs. 5a StVO. Die von May/Vogt vertretene Auffassung, dass zum Rettungsdienst alle Fahrzeuge gehören, die ihrer Bestimmung nach der Lebensrettung dienen, dürfte etwas zu oberflächlich und weitgehend sein (vgl. May/Vogt, Lexikon Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016). Vielmehr wird man auf die straßenverkehrsrechtliche Zulassung abstellen müssen, das Fahrzeug seiner Zulassung gemäß als Einsatzfahrzeug des Rettungsdienstes bestimmt sein.
Da der Einsatz von Firt-Respondern jedoch selten mit RTW, KTW o.ä erfolgt, dürften damit die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 StVO insgesamt nicht vorliegen. Insbesondere liegen diese nicht vor, wenn die First-Responder mit ihren privaten Fahrzeugen zum Einsatz ausrücken. Im Falle eines Verkehrsunfalles haftet daher zunächst der Unfallverursacher selbst. Ob die entsendende Hilfsorganisation den Schaden übernimmt bzw. die First-Responder für solche Schadenfälle gesondert versichert hat, ist eine Frage des Einzelfalles.
Der hinter dem Unfallverursacher stehende Kraftfahrthaftpflichtversicherer kann u.U. seine Ersatzpflicht einschränken oder aber die Versicherungsprämien für die Folgezeit deutlic anheben, wenn das für private Zwecke versicherte Fahrzeug plötzlich für „dienstliche“ Zwecke unter Inanspruchnahme von Sonderrechten genutzt wird. Die sich hieraus ergebende Risikoerhöhung und die wiederum hieraus ableitbaren Rechte des Versicherers sind ebenfalls eine Frage des konkreten Einzelfalles und bedürfen sicherlich einer intensiven versicherungsrechtlichen Prüfung.