Der sogenannte KTW-light soll außerhalb der Regelungen des Rettungsdienstgesetzes fahren und Krankentransporte abwickeln, für die ein regulär ausgerüsteter Krankentransportwagen (KTW) nicht erforderlich scheint. Ausgerüstet mit einer geringeren medizinischen Ausstattung und besetzt mit qualifiziertem Personal, soll die neue Fahrzeugklasse ein Schlüssel zur Einsparung von Kosten sein. So schreibt es die AOK Baden-Württemberg in der Pressemeldung vom 06.02.2017 (Abrufbar unter https://aok-bw-presse.de/landesweite-presseinfos/lesen/notfallversorgung.html).
Ausgangspunkt der Überlegungen dürften die regelmäßigen Kostenverhandlungen zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern sein, an deren Ende die Entgelte für die Rettungsdienst- und Krankentransportleistungen vereinbart werden.
In Baden-Württemberg ist die Finanzierung des Rettungsdienstes, wozu nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 RettDG BW auch der Krankentransport gehört, in den §§ 26 bis 28a RettDG BW geregelt. Diese Regelung ergänzt die Vorgaben des § 133 Abs. 1 SGB V, wonach die Entgelte für die Leistungen des Rettungsdienstes und anderer Krankentransporte vertraglich zwischen den Leistungsträgern (Krankenkassen) und den Leistungserbringern vereinbart werden. § 28 RettDG bestimmt hierzu, dass die Benutzungsentgelte für die Leistungen des Rettungsdienstes jährlich zu vereinbaren sind. Kommt keine Einigung zu Stande, steht zunächst der Weg vor die Schiedsstelle offen, dem dann die gerichtliche Überprüfung folgt.
Die Vorschrift beschränkt die Kompetenz der Krankenkassen ausschließlich darauf, auf die Vergütung Einfluss zu nehmen. Weder die Versorgung der Versicherten durch den Rettungsdienst, noch die Zulassung einzelner Unternehmer bzw. Leistungserbringer liegt im Einflussbereich der Krankenkassen (vgl. Knittel in Krauskopf, soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 76. EL 2012, SGB V § 133 Rn 2.). Zulassung zur und Einzelheiten über die Durchführung des Rettungsdienstes, womit letztlich auch die Versorgung der Versicherten ausgestaltet ist, regeln die jeweiligen Landesrettungsdienstgesetze (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.1995 – 3 RK 32/94).
Die Akteure der Kostenverhandlungen stehen hierbei vor der schwierigen Aufgabe, einerseits die Gestehungskosten erstattet zu erhalten, welche maßgeblich durch die zahlreichen tarifvertraglichen Regelungen und den damit verbundenen Personalkosten sowie die Betriebskosten bestimmt werden. Andererseits soll die in § 71 SGB V geregelte Beitragsstabilität gewahrt werden.
Die Kostenverhandlungen im Rettungsdienst sind im Grunde mit denjenigen in der Pflegeversicherung des SGB XI vergleichbar. In beiden Fällen werden Investitionskosten und patientenbezogene Kosten voneinander getrennt. Für die Pflegesatzverhandlungen wurde dem externen Vergleich in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bereits eine Absage erteilt (vgl. BSG, Urteil vom 29.01.2009 – B 3 P6/08 R). Ob dieser also für die Kostenverhandlungen des Rettungsdienstes weiterhin Bestand haben kann, darf in Frage gestellt werden.
Für den Fall, dass sich die Akteure der Kostenverhandlungen nicht einigen können, sieht § 133 SG V keine konkrete Lösungsmöglichkeit vor. Anders ist es jedoch in den Landesrettungsdienstgesetzen (hier am Beispiel Baden-Württemberg) geregelt. Dort ergibt sich nach § 28 Abs. 5 RettDG BW die vorrangige Möglichkeit zur Anrufung der Schiedsstelle, kommt eine Einigung über die Gebühren nicht zu Stande. Die Besetzung der Schiedsstelle besteht zu gleichen Teilen aus Kostenträgern und Leistungserbringern, sowie einem von beiden Akteuren bestimmten Vorsitzenden.
Der Schiedsstelle stehen weitreichende Befugnisse zu, die bis zur Festsetzung der Entgelte führen können, wenn eine Einigung im Schiedsverfahren nicht erzielt werden kann.
Gegen die Schiedsstellenentscheidung steht der Weg vor die Verwaltungsgerichte offen. Eine eigene Tariffestsetzung ist dem erkennenden Gericht nach umstrittener Ansicht jedoch verwehrt, wenn es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Schiedsstelle fehlerhaft entschieden hat (vgl. LSG BW, Urteil vom 07.11.2003 – 14 S 730/03).
Das Risiko der Schiedsstellenentscheidung sowie der nachfolgenden gerichtlichen Überprüfung trifft hierbei Leistungserbringer und Leistungsträger in gleichem Maße und sollte, gerade wenn die Leistungsentgelte unterhalb der Gestehungskosten vereinbart werden, eingegangen werden. Arbeitsplätze und langfristige Planbarkeit stehen hierbei ebenso im Fokus, wie der öffentliche Auftrag, die Bevölkerung sachgerecht zu versorgen.
Es bestehen erhebliche rechtliche Bedenken, ob der von AOK in Zusammenarbeit mit einem Leistungserbringer angedachte „KTW-light“ tatsächlich in rechtlich zulässiger Form ausserhalb des RettDG eingesetzt werden kann. Das RettDG BW erfasst sowohl die Notfallrettung als auch den Krankentransport. Lediglich sogenannte Krankenfahrten sind hiervon ausgenommen (§ 1 Abs. 3 RettDG BW), wenn die zu befördernden Personen keine medizinisch-fachliche Betreuung benötigen.
Hierzu stellt das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 – I-4 U 174/09 fest, dass fachgerechtes Umlagern, Heben und Tragen bereits als Leistung des Krankentransports zu bewerten ist. Hieraus ergibt sich die Folge, dass nur Patienten, die zwar in der Gehfähigkeit eingeschränkt sind, sich jedoch selbst von Bett auf Trage umlagern können, zum Kundenkreis des „KTW-light“ gehören können.
Der Leistungserbringer in Rettungsdienst und Krankentransport bedarf hierzu allerdings einer gesonderten Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG), durch die entsprechende Behörde. Liegt eine solche Genehmigung nicht vor, besteht die Gefahr wegen einer Ordnungswidrigkeit zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Nicht zuletzt müssen die eingesetzten Fahrer in Besitz einer Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung sein. Der Befreiungstatbestand nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG kommt für Liegendtransporte ohne medizinisch-fachliche Betreuung nicht in Betracht.
Ein Einsatz des „KTW-light“ ausserhalb der Regelungen des RettDG erscheint daher zweifelhaft und nicht als taugliches Mittel zur Kostenreduktion bzw. Verbesserung der Situation im Rettungsdienst.
Eine Hilfsfrist (Zeit bis zum Eintreffen des Fahrzeuges am Einsatzort) ist für den Bereich der Notfallrettung formuliert. Für den Krankentransport ist eine solche nicht in allen Bundesländern vorgesehen. Für Rheinland-Pfalz sieht § 8 Abs. 2 Satz 2 RettDG RLP vor, dass im Krankentransport eine Wartezeit von 40 Minuten nicht überschritten werden sollte.
Der Patient hat jedoch kaum Möglichkeiten, auf eine kurze und vertretbare Wartezeit hinzuwirken. Der gesetzlich krankenversicherte Patient hat zwar einen Anspruch auf die Leistung „Krankentransport“, jedoch nicht, dass diese auch zu einer bestimmten Zeit oder in einem bestimmten Zeitfenster erbracht wird.
Der Anspruch gegen die Leistungserbringer bzw. die zuständige Gebietskörperschaft (Kommune) ist fraglich. Diese haben nach dem Rettungsdienstgesetz die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe, die Bevölkerung mit bedarfs- und flächendeckenden Einrichtungen der Notfallrettung und des Krankentransports zu versorgen (§ 1 Abs. 1 RettDG RLP; § 1 Abs. 1 RettDG BW). Ein gerichtliches Vorgehen wird jedoch in der Regel daran scheitern, dass der einzelne betroffene Bürger kaum Zugang zu den Planungsgrundlagen des Krankentransports erhält. Dies wäre jedoch erforderlich, um den Bedarf insgesamt zu ermitteln und sodann aufzeigen zu können, dass eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet wird. Ein derart weitreichendes Rechtschutzbedürfnis des einzelnen Bürgers erscheint zumindest fraglich.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Markus Eitzer steht sowohl Leistungserbringern wie auch Patienten in allen Fragen des Rettungsdienstrechts beratend zur Seite und vertritt Ihre Interessen im Streitfall kompetent und engagiert.
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